Ein deutsches Requiem, Op. 45 Denn wir haben hie keine bleibende Statt Arr. for Voices and 2 Pianos
Todesboten aus Alamut - Der Geheimbund der Assassinen - Eine ismailische Gemeinschaft Ein Volk in Syrien - Mythen von den gefaehrlichen Haschischessern
Marco Polo sowie die Chronisten der Kreuzritter verbreiteten Schauermaerchen *** die Assassinen. Als gedungene Moerder seien sie fuer ihren gefaehrlichen Auftrag mit Drogen gefuegig gemacht worden, heisst es. "Haschaschin" - die Haschischesser - nannten die Zeitgenossen die Mitglieder der eingeschworenen Gemeinschaft.
Die Kreuzritter, die vom Ende des 11. Jahrhunderts an fuer die Befreiung der heiligen Staetten kaempften, trafen im heutigen Syrien auf die gefuerchteten Maenner.
Von dort brachten die Europaeer erste Geruechte *** die "mysterioese islamische Menschenbrut" mit in die Heimat. So einer ihrer Chronisten woertlich. Ihrem religioes motivierten Oberhaupt gehorchten die *** im Land rekrutierten jungen Maenner bedingungslos. Bald wurde die Treue der Assassinen zum sprichwoertlichen Motiv europaeischer Minnesaenger. Troubadoure beschworen ihre angebeteten Damen: "Ihr habt mich mehr in Eurer Gewalt als der Alte seine Assassinen. So wie sie ihm standhaft dienen, so habe ich Amor gedient in unverbruechlicher Treue."
Andere Zeitgenossen sind in den Beschreibungen sachlicher: Erzbischof Wilhelm in der "Geschichte der Kreuzfahrerstaaten"
"Es gibt ein Volk in Syrien, das zehn starke Burgen sein eigen nennt. Dieses Volk setzt seinen Fuehrer selbst ein. Er wird "der Alte" genannt. Seine Gefolgsleute fuehren jeden Mordbefehl aus, ohne an die Folgen der Tat oder an Flucht zu denken. Denn wenn der Alte einen Fuersten aus dem Weg raeumen will, schickt er seine Getreuen mit einem Dolch aus. Wir wie auch die Sarazenen nennen dieses Volk "Assassinen", aber die Herkunft des Namens kennen wir nicht."
Boten des Todes
Doch nicht als Boten der Liebe, sondern als Todesboten gingen die Assassinen in die Geschichte ein. Ein Mythos war geboren. Die Freuden des Paradieses - als Belohnung fuer einen Mord. Das soll ihr Gruender Hasan-e Sabbah, genannt der "Alte" seinen Anhaengern versprochen haben. Als Anreiz fuehrte er ihnen die Gefilde der Seligen schon zu Lebzeiten vor Augen, berichten europaeische Quellen.
Setzte der Meister die jungen Maenner zuvor unter Drogen? Machte er sie so fuer die gefaehrlichen Auftraege gefuegig? Bisher pure Vermutung. Fest steht hingegen: Die Assassinen gehoerten zu den Ismailis, einer islamischen Glaubensgemeinschaft. Im Volksmund hiessen sie auch "Haschischin" - die Haschischesser. Forscher glauben, daraus habe sich das Wort "Assassinen" abgeleitet.
Historiker Dr. Farhad Daftary *** die Herkunft des Wortes "Assassin": "Die Kreuzfahrer haben den Begriff aufgeschnappt und dann in den verschiedenen Klangfarben europaeischer Sprachen wiedergegeben, so wie "Assissini", "Assassini" und "Heississini". Die Varianten gelangten schliesslich nach Europa - als Bezeichnung fuer eine geheimnisvolle orientalische Sekte. Erst viel spaeter erhielt der Begriff die Bedeutung, die er heute noch in einigen europaeischen Sprachen hat: "professionelle Killer".
Schimpfwort fuer Abtruennige
Tatsaechlich war Cannabis, die Hanfpflanze, aus der Haschisch gewonnen wird, im mittelalterlichen Orient bekannt. aerzte und Pharmazeuten destillierten die Wirkstoffe verschiedener Drogen und verordneten sie vor allem gegen Depressionen und Verdauungsleiden. Fuer strengglaeubige Muslime jedoch galten "Haschischesser", die das Kraut zum Vergnuegen nahmen, als moralisch verkommen. So wurde "Haschischin" zum Schimpfwort fuer Abtruennige, soziale Aussenseiter und fuer Anhaenger von Sekten.
Von all dem wussten die Kreuzritter nichts, als sie ihren Glaubenskrieg im Orient fuehrten. Die Assassinen waren fuer sie Menschen, die einem *** Laster froenten und durch spektakulaere Morde im ganzen Land von sich reden machten. Die Geruechte liessen die Europaeer staendig auf der Hut sein.
Spaltung des Islam - Die schiitische Minderheit
Im Fruehjahr 1090 war Hasan-e Sabbah in geheimer Mission unterwegs in Persien. Nach laengerem Aufenthalt in aegypten kehrte er in das Land seiner Vaeter zurueck.
Der etwa 40-Jaehrige reiste inkognito. Groessere Staedte musste er meiden und nur selten suchte er die Gesellschaft Fremder.Die Haescher des Sultans waren hinter ihm her. Der Regent sah in Hasan einen gefaehrlichen Agitator und wollte ihn verhaften lassen. In der alten Hauptstadt - nahe dem heutigen Teheran - konnte er sich also nicht blicken lassen. Er beschloss, 130 Kilometer weiter nach Nordwesten zu wandern - bis nach Qazwin.
Glaube an die Imame
In Qazwin wuerde Hasan Gleichgesinnte finden. Dennoch musste er vorsichtig handeln. Das war nicht immer so. Denn einst gehoerte er zum geachteten Establishment seines Landes. Wie die Mehrheit der Schiiten glaubte auch er an die zwoelf Imame, die direkt von Mohammed abstammen. Die "Zwoelfer-Schiiten" sehen im 12. Imam den Erloeser der Welt. "Es kam mir nie in den Sinn, die Wahrheit woanders zu suchen", schrieb er.
Stellvertrteter des Propheten
Zu Zeiten Hasans, mehr als 400 Jahre nach Mohammed, war der Islam in zwei grosse Gruppen "Sunniten und Schiiten" sowie unzaehlige Untergruppen gespalten. Die erste Krise des Islam begann schon 632 als Mohammed starb: Er hatte keine klaren Instruktionen *** einen Nachfolger hinterlassen. So waehlten einflussreiche arabische Staemme gemaess ihrer Tradition den Besten aus ihrem Kreis als Kalifen, als Stellvertreter des Propheten. Doch bereits nach kurzer Zeit starben die ersten drei Amtstraeger durch Mordanschlaege.
656 folgte Ali, Mohammeds Vetter und Schwiegersohn. Als vierter Kalif residierte er in Kufa, im heutigen Irak. Nur fuenf Jahre spaeter brachten Meuterer auch ihn in der Moschee des Ortes um. Die Maenner der Schia, der Partei Alis, hatten von Anbeginn behauptet, der Prophet selbst habe seinem Verwandten die Fuehrungsrolle zugesprochen. Daher forderten sie, nur direkte Nachkommen Mohammeds duerften auch nach Alis Tod die Glaeubigen fuehren. Der Konflikt spaltete den Islam in zwei grosse Lager, die Schiiten, jene Anhaenger Mohammeds und ihre Gegner, die Sunniten.
Gescheiterte Vision
Zunaechst *** eine sunnitische Dynastie das Ruder. Doch Alis Sohn Husain wollte das Kalifat um jeden Preis fuer die Schiiten zurueckgewinnen. Doch die Sunniten metzelten in einer erbitterten Schlacht Husain und siebzig seiner Getreuen nieder. Seit diesem Ereignis gehoerte oeffentlich gezeigte Trauer zur schiitischen Identitaet, als schmerzlicher Ausdruck ihrer gnadenlosen Unterdrueckung. Als Zeichen des Mitleids fuer den Heldentod ihres gefallenen Anfuehrers.
Doch die Schiiten weigerten sich, die Herrschaft der Sunniten anzuerkennen. Vielmehr ernannten sie ihre eigene religioese Autoritaet - den Imam. Er legte den Koran aus und erliess Gesetze. Im 12. Imam sieht die Mehrheit der Partei Alis den Erloeser der Welt. Ismail hingegen, den siebten Amtstraeger, verehrt eine andere Gruppe als Heilsbringer - die Ismailis. 969 gruenden sie Kairo - und eine neue Dynastie, die Fatimiden. Zum ersten Mal nach Ali gelingt es einem schiitischen Clan, politische und religioese Macht an sich zu reissen und ein einflussreiches Kalifat zu errichten. Seine Imame verkuenden die ismailische Lehre. Architektur, Wissenschaft und Kunst gelangen zu neuem Ruhm. Im 12. Jahrhundert aber gewinnen die Sunniten wieder die Oberhand. Die Ismailis gehen schweren Zeiten entgegen.
Festung Alamut - Hasans autonome Gemeinschaft
In Persien verbreitete Hasan-e Sabbah die Lehre des Propheten, so wie die Ismailis sie seinerzeit auslegten. Als einer ihrer Da'is - als geistlicher Fuehrer - zog er im Fruehjahr 1090 durchs noerdliche Bergland auf der Suche nach einem Hauptquartier.
Hasan-e Sabbah missionierte Muslime zum Glauben an den von Gott geleiteten Imam - eine der Haeuptsaeulen ismailischer Tradition. *** wie die muendliche Erklaerung der einzelnen Suren. Hasan liess nichts unversucht, die Einheimischen fuer seine Sache zu gewinnen. Bei den Menschen in den entlegenen Gebieten fand er aufmerksame Zuhoerer. Seiner *** konnte sich kaum einer entziehen.
Ideales Versteck
Die schwer zugaengliche Region praesentierte sich als ideales Versteck. Dort hielt Hasan Ausschau nach einem geeigneten Hauptquartier fuer sich und seine Leute, einer Basis fuer den Kampf gegen die anderen Religionsparteien. Im Herzen des Elbursgebirges fand der Da'i endlich das, wonach er gesucht hatte. Vor seinen Augen erhob sich der Felsen von Alamut - 2175 Meter hoch. "Aluh Amut - die Erkenntnis des Adlers". Den Namen erfand einst ein Koenig, als sein dressierter Raubvogel auf dem Plateau landete. Der Herrscher erfasste sofort die strategisch guenstige Lage des Massivs und liess dort eine Festung errichten.
Schnell baute der schlaue Stratege in dem weiten Bergland eine verlaessliche Infrastruktur auf. Dank einer ausgekluegelten Nachrichtenuebermittlung konnten sich die Verbuendeten muehelos miteinander verstaendigen, selbst *** weite Distanzen. Von den unterschiedlichen Aussenposten sendeten sie eine Art Morse-Code per Lichtsignal. Vor allem in Zeiten der Gefahr ein nuetzliches Fruehwarnsystem.
Staat im Staat
70 Burgen nannte der ismailische Freiheitskaempfer schon bald sein eigen - erobert, erworben oder erschlichen. Hoch oben im Norden Persiens entstand ein autarker Staat im Staat - ein einzigartiges Netzwerk aus Gleichgesinnten. Gelenkt von einem religioesen Fuehrer mit politischen Ambitionen. Sein Ziel, die Ismailis im Land auf eine Linie einzuschwoeren, war endlich in greifbare Naehe gerueckt. Von Norden nach Sueden, von Westen nach Osten - in alle ismailische Gemeinden reichte der schuetzende Arm von Hasan-e Sabbah.
Seit kurzem steht der Felsen von Alamut im Visier der Wissenschaft. Auf der so genannten Unterburg graebt ein Archaeologenteam aus Teheran. Im Schatten des Plateaus lagen einst Werkstaetten und Wirtschaftsraeume der Anlage. Unter der Leitung von Dr. Hamide Choobak erfolgt die erste staatlich unterstuetze Erforschung des geschichtstraechtigen Ortes. Die Ausgraeber haben Gefaesse aus Bronze, schwere Zierbeschlaege, massive Ketten aus Eisen und jede Menge Muenzen entdeckt. Die Geldstuecke tragen den Praegestempel von Alamut. Wichtiges Indiz fuer die Existenz eines autonomen Staates zur Zeit Hasans.
Atemberaubener Anblick
Nur wenige der Mauern auf dem Gipfel haben die Zerstoerung durch die Mongolen ***. Tief im Gestein liegt der Hauptteil der Ruinen - *** von Raeumen. Die Felswaende aussen verkleideten die Architekten Hasans geschickt mit einem Backsteinmantel. In jenen Tagen muss die Trutzburg einen atemberaubenden Anblick geboten haben. Hoch oben lebten nur etwa 200 Maenner. Die Bauern im Tal sorgten aus freien Stuecken fuer die taegliche Verpflegung der Gipfelbewohner.
Am Ende der fruchtbaren ***, etwa 34 Kilometer von Alamut entfernt, besassen Hasans Leute einen weiteren Kontrollpunkt. Wie die Hauptburg - hoch gelegen und uneinnehmbar: die Festung Lamasar. Das Bollwerk leistete den Mongolen im 13. Jahrhundert erbitterten Widerstand, konnte sie aber letztlich nicht aufhalten. Die Archaeologen aus Teheran wollen die Ruinen demnaechst gruendlich untersuchen. Auch die anderen Burgen aus Hasans Zeit sollen wissenschaftlich dokumentiert werden.
Frei von Unterdrueckung
Von Alamut aus steuerte Hasan-e Sabbah erfolgreich die Geschicke der Gemeinschaft. Inspiriert durch das taegliche Studium des Koran und weiterer philosophischer Schriften. Beruehmt wurde seine umfangreiche Bibliothek, die er in dem weitlaeufigen Gemaeuer einrichtete. In der stillen Abgeschiedenheit arbeitete er an der Umsetzung eines idealen Staates. Eines Staates, der frei ist von Unterdrueckung durch die Seldschuken und Sunniten.
Hasans Todesboten - Gefuerchtete Kaempfer aus dem Untergrund
Im fernen Samarra - noerdlich von Bagdad - beeindruckt noch heute die Moschee der sunnitischen Kalifen aus der Abbasiden-Dynastie. Jenes Clans, der in den Augen Hasans fuer den Verfall des rechten Islam verantwortlich zeichnete. Und seine Gemeinschaft mit allen Mitteln zerschlagen wollte.
Die Machthaber froenten in ihren praechtigen Palaesten dem Luxus. Vetternwirtschaft und Korruption waren an der Tagesordnung. Am Regierungssitz Bagdad hatten sie bedeutende Religionsschulen etabliert.
Feinde des Islam
In den heiligen Hallen lehrten weise Maenner Theologie und Rechtskunde - nach den Vorgaben der herrschenden Partei. Dort entfaltete sich auch das sunnitische Dogma, in dem Schiiten, besonders aber Ismailis als Abtruennige und Feinde des Islam dargestellt wurden. Millionen Baende fuellten die riesigen Bibliotheken der Hauptstadt. Buecher *** mathematische Fragen, literarische Werke aus unterschiedlichen Jahrhunderten und medizinische Abhandlungen gehoerten zum festen Bestand der Ausbildungsstaetten. Bagdad avancierte zum glanzvollen Zentrum der Wissenschaft.
Auch wenn der Kalif offiziell an der Spitze des Reiches stand, war er kaum mehr als eine willfaehrige Marionette in den Haenden der Seldschuken, seiner engen Verbuendeten. Das Turkvolk hatte um 1000 die Religion Mohammeds angenommen und innerhalb weniger Jahrzehnte weite Teile Persiens und Mesopotamiens besetzt. Nach und nach gewannen die Fremden an politischem und militaerischem Einfluss. Als selbsternannte Beschuetzer des Kalifen machten sie sich unentbehrlich. Ihrem Anfuehrer, dem Sultan, entging nicht, was sich unter Hasans Regie zusammenbraute. Schon bald rueckte das Heer nach Alamut vor, um das Widerstandsnest auszuraeuchern. Trotz *** mussten die Belagerer jedoch erfolglos abziehen. Eine bittere Niederlage.
Tod dem Wesir
Hasan wollte Rache. Er wusste, dass hinter der Aktion sein Erzfeind, der Wesir des Sultans steckte. Am Abend versammelte der Da'i seine Getreuen um sich - die Fida'ii. Junge Maenner, die ihm blind gehorchten, die bereit waren, ihr Leben fuer die Sache zu opfern. Tod dem Wesir - lautete der Auftrag. Hasans erstes Attentat im Namen der Religion. Am Morgen des 16. Oktober 1092, wartete in einem kleinen Ort in Persien der Todesbote aus Alamut auf seine Chance - verkleidet als Bettler.
Der 80jaehrige Nizam al-Mulk ahnte nichts von der Gefahr. Der hohe Staatsdiener kam gerade von einer wichtigen Unterredung. Ein beruehmter Mann, der sich Zeit seines Lebens um das Land verdient gemacht hatte. Ungehindert naeherte sich der Unbekannte - unter dem Vorwand, dem Wesir eine Bittschrift auszuhaendigen. Auf den ersten Blick ein unverdaechtiges Gesuch. Mit den Worten: "Im Namen Allahs, nimm den Gruss von Hasan-e Sabbah!" war die Tat vollbracht. Der Mord machte den Anfuehrer der Ismailis mit einem Schlag beruehmt und gefuerchtet. Angeblich wurden die Namen von Taeter und Opfer in eine *** eingemeisselt. Hunderte sollen es geworden sein. Nachweisen laesst sich jedoch nicht einmal ein Zehntel.
Antwort aus Alamut
Im suedlich gelegenen Isfahan lebte damals eine grosse ismailische Gemeinde. Vor allem die unteren Schichten wie Handwerker und Tageloehner, fuehlten sich in der Gemeinschaft geborgen. Denn die Dai's halfen in allen Lebenslagen und setzten sich fuer die Belange der Glaeubigen ein. Immer wieder kam es zu Pogromen, zu uebergriffen durch die Soldaten des Sultans. Die Splittergruppe wurde wegen ihrer rebellischen Haltung *** der Regierung und ihrer eigenwilligen Auslegung des Koran verfolgt. In jener Zeit gingen viele Schriften in Flammen auf, ein unwiederbringlicher Verlust. Die Antwort auf die brutalen Aktionen kam aus Alamut. Das Vorgehen folgte stets dem gleichen Muster. Hasan sendete einen Fida'ii aus. Auf eine Reise ohne Wiederkehr.
Ein beliebter Tatort jener Tage waren die religioesen Zentren, insbesondere *** des Freitagsgebets. Historisch verbuergt ist das Attentat in der Jame-Moschee von Isfahan. Im Jahr 1101 trifft es dort den obersten Mufti der Stadt. Der Angreifer setzte den Dolchstoss immer von vorne und nannte dabei den Auftraggeber: Hasan-e Sabbah.
Expansion nach Syrien - Kampf fuer eine politische Vision
Wahllos soll er zu geschlagen haben und junge Maenner gezwungen, in seinen Namen zu toeten. Solche Geschichten *** Hasan-e Sabbah, den Herrn von Alamut, gehoeren ins Reich der Legende. So standen Zivilisten nie auf der Todesliste, sondern ausschliesslich politisch Verantwortliche. Aber Hasan machte den Fida'ii glaubhaft: Die Hoffnung auf eine gerechtere Welt heiligt die Mittel - und danach handelten sie.
Viel ist nicht *** das taegliche Leben in *** bekannt. Fest steht, es gab strikte Regeln. Mit Nachsicht und Milde konnte keiner rechnen.
Historiker Dr. Farhad Daftary *** Hasan-e Sabbah:
"Er war streng - egal ob er es mit Freund oder Feind zu tun hatte. Wir wissen, dass er sogar seinen eigenen Sohn hinrichten liess, nur weil der Junge Wein getrunken haben soll. Er war hart, asketisch und ein erstklassiger Verwalter. Ein echtes Organisationstalent."
Hasan war auch ein exzellenter Wissenschaftler. Ein gebildeter Mann, der sich in allen Bereichen auskannte. Selbst in der Astronomie. Fuer die Beobachtung der Gestirne verliess er sogar zweimal seine Klause. Es sollten die beiden einzigen Ausfluege bleiben in den 34 Jahren seiner Herrschaft auf Alamut - bis zu seinem Tod im Jahre 1124. So zumindest lautet die ueberlieferung. Die meiste Zeit aber verbrachte der Einzelgaenger in seinen Studier- und Experimentierstuben - abgeschlossen von der Aussenwelt.
Berauschende Wirkung
Erzaehlungen zufolge widmete er sich der Herstellung von Naturmedizin und probierte verschiedene Rezepturen aus. Sicherlich auch von Pflanzen mit berauschender Wirkung. Berichtet wurde von Drogen, die er seinen Getreuen angeblich regelmaessig verabreichte. Ein Geruecht, das eng mit ihm und seiner Organisation verknuepft ist, das sich *** Jahrhunderte hartnaeckig hielt und in Europa fuer Aufruhr sorgte.
Hasan-e Sabbah verfolgte zielstrebig seine politische Vision. Um gegen die herrschende Partei erfolgreich anzukaempfen, brauchte er ein weitverzweigtes Netz aus Verbuendeten - auch jenseits der Grenzen. 1102 schickte er Emissaere ins ferne Syrien, um dort eine weitere Machtbasis zu etablieren. Denn seit alters her gab es auch dort eine ismailische Gemeinschaft. Zunaechst reisten die Abgesandten nach Aleppo im Norden des Landes. Hoch *** der Stadt ragte die Zitadelle in den Himmel.
Syrische Krise
Hinter den Mauern von Aleppo residierte der maechtige Emir Ridwan. Er herrschte *** die bedeutende Handelsmetropole und das nahe Umland. Syrien steckte in der Krise. Das Reich war in kleine Stadtstaaten zerfallen. Die Fehden zwischen den Stammesfuersten fanden kein Ende. Blutige Kleinkriege waren keine Seltenheit. Hasans Maenner boten sich Ridwan als Buendnispartner an und halfen, seine Rivalen zu beseitigen. Die Zweckgemeinschaft war fuer den Emir ein Vorteil, der seine Macht staerkte. Im Gegenzug erlaubte er den ismailischen Einwanderern, in Aleppo Propaganda zu betreiben.
Auch fuer Syrien lautete ihre Devise, Festungen in Besitz zu nehmen und die Bevoelkerung gezielt zu missionieren. Die wilde Berglandschaft im Norden schien fuer den Zweck geradezu ideal. Doch es sollte drei Jahrzehnte dauern, bis die Ismailis Fuss fassten. Erst um 1132 konnten sie eine Burg kaufen: Qadmus - erstanden von einem muslimischen Grossgrundbesitzer. Weitere folgten. Die Strategie, die sich schon in Persien bewaehrt hatte, griff auch in Syrien: eindringen, verschanzen, angreifen. An wichtigen Punkten stationierten die Assassinen, wie sie im Land hiessen, mannstarke Kommando-Einheiten.
"Der Alte vom Berge" - Hauptquartier in Syrien
Den groessten Coup landeten die Assassinen nahe der Kreuzritterfestung Krak des Chevaliers - in Masyaf. Die Fremden entrissen das gewaltige Bauwerk - heute inmitten der Stadt - einem reichen Gouverneur. Sie vertrieben den maechtigen Mann und machten das Gemaeuer zum Hauptquartier des Geheimbundes.
Masyafs beruehmtester Bewohner wurde Sinan Raschid al-Din. Als "der Alte vom Berge" ging er in die europaeischen Quellen ein.
Terror ohne Grenzen
Um 1164 *** er als Fuehrer der Assassinen das Ruder. 30 Jahre lang leitete Sinan erfolgreich die Geschicke der Ismailis in Syrien. Um seine Person ranken sich Legenden, die wesentlich zum schlechten Ruf der Gemeinschaft beitrugen. So soll er seine Leute zu unberechenbaren Killern trainiert haben. Auch forderte er die jungen Maenner angeblich auf, bestimmte Regeln des Koran zu ignorieren. Der ueberlieferung nach kannte der Terror unter seiner aegide keine Grenzen.
Unter den Maechtigen ging die Angst um. Keiner wusste, wann und wo Sinan das naechste Mal zuschlagen liess. Seine Attentaeter drangen sogar bis in die Schlafgemaecher vor. Nicht immer brachten sie den Tod. Manchmal nur ein warmes Brot oder einen Dolch: neben das Kopfkissen gelegt - eine letzte Warnung. Und die Gewissheit: Es gibt kein Entrinnen, wenn es der "Alte vom Berge" so will.
Pakt mit den Kreuzrittern
Fast zwei Jahrhunderte lang war Krak des Chevaliers, die riesige Burg ganz in der Naehe von Masyaf, unbesiegte Residenz der Kreuzritter. Mit den Schwertbruedern aus Europa machten die Ismailis zeitweise gemeinsame Sache - im Kampf gegen die sunnitischen Fuersten. Einerseits tauschten sie als Partner geheime Informationen aus und gingen den einen oder anderen Handel ein. Anderseits mussten die Assassinen den christlichen Kriegern hin und wieder Tribut zahlen - eine Art Schutzgeld. Zu besonders vertraulichen Gespraechen kam Sinan sogar hoechstpersoenlich. Der syrische Da'i hatte schon frueh die Vorteile der Zweckverbindung erkannt.
Die uebliche Taktik, mit dem Ausloeschen einer Schluesselfigur den Feind lahmzulegen, haette bei den Kreuzrittern nicht gefruchtet. Die Position des Ermordeten waere sofort neu besetzt worden. So trafen Sinans Dolche hoechstens fuenf Maenner aus Europa. Trotzdem waren es ausgerechnet die Christen im Orient, die den Ismailis Hunderte von Morden in die Schuhe schoben. Und das, obwohl sie selbst in jeder Schlacht Tausende von Menschenleben im Namen der Religion opferten. Die Furcht vor den Assassinen liess sogar den sagenumwobenenen Saladin erschauern. Der Sultan war gekommen, um die europaeischen Krieger aus dem Land zu draengen.
Niedergang des Geheimbundes
*** des Kampfes um Aleppo schickte Sinan seine Fida'ii aus. Doch der Anschlag auf Saladin misslang. Die Attentaeter kamen im Handgemenge um - wie fast immer. Als Vergeltung belagerte Saladin die Festung Masyaf, musste aber unverrichteter Dinge wieder abziehen. Es dauerte noch bis 1273, bis der Stern des Geheimbundes in Syrien engueltig verlosch. Gegen Einfluss und *** der Kalifen und ihrer Armeen hatte er letztlich keine Chance. Die ismailische Gemeinschaft blieb schutzlos zurueck.
Auch Alamut im fernen Persien war dem Untergang geweiht. Dort besiegelten 1256 die Mongolen das Schicksal der beruechtigten Organisation. Wie ein Orkan stuermten die Reiterhorden aus dem Osten durch das Land. Die Festungen der Ismailis leisteten erbitterten Widerstand. Erst nach drei Jahren konnten die Soldaten des Khan den Hauptsitz hoch oben in den Bergen einnehmen.
In Schutt und Asche
Ein gigantisches Feuer vernichtete weite Teile der Anlage bis auf die Grundmauern. Die wertvolle Bibliothek brannte lichterloh. Das Lebenswerk von Hasan-e Sabbah in Schutt und Asche - mit Ausnahme einiger weniger Buecher. Gerettet von Dschuweini, dem Sekretaer des mongolischen Eroberers. Der Sunnit erhielt die Erlaubnis, eine Auswahl der gesammelten Schriften mitzunehmen. Darunter auch Hasans Autobiographie. Auf dieser Grundlage verfasste Dschuweini seine "Geschichte der Ismailis". Sie steht im Anhang seiner bekannten Chronik *** die Eroberungen der Mongolen.
Vergangenheit und Zukunft - Neubewertung des Bildes der Ismailis
Dschuweinis negative Schilderungen *** Hasan-e Sabbah praegten mehr als 800 Jahre lang das Bild der Ismailis im Orient. In Europa festigte der Weltreisende Marco Polo den Eindruck vom verruchten Leben der Assassinen. Islam-Wissenschaftler versuchen mit authentischen Quellen nun eine Imagekorrektur.
In den Miniaturen aus Marco Polos Reisebericht "Das Buch der Wunder" schildert er den Paradiesgarten des "Alten vom Berge" in schillernden Farben.
Marco Polo in das "Buch der Wunder":
"Der Meister versetzt seine Fida'ii mit einem berauschenden Trank in Schlaf. In einem exotischen Garten wachen sie wieder auf, um dort - umgeben von schoenen Maedchen - das Leben fuer einige Tage in vollen Zuegen zu geniessen."
Doch keine wissenschaftlich fundierte Quelle noch andere Hinterlassenschaften belegen die Existenz derartiger Lustgaerten - weder in Syrien noch in Persien. Auch fehlen in der arabischen Literatur Hinweise auf die Einnahme von Drogen durch Mitglieder des Geheimbundes.
Historiker Dr. Farhad Daftary *** Legende und Wahrheit:
"Marco Polo hat wohl mehr als alle anderen dazu beigetragen, dass die Legenden *** die Assassinen in Europa in Umlauf gerieten. Das, was wir inzwischen als reine Fiktion entlarvt haben, wurde damals fuer bare Muenze genommen - als genaue Beschreibung der geheimen Lehren und Praktiken der Ismailis."
Erst im fruehen 20. Jahrhundert tauchten in Indien erste Original-Handschriften der Ismailis auf. Fuer die Fachwelt ein Gluecksfall. Prof. Dr. Azim Nanji vom Institut fuer Ismail. Studien *** authentische Quellen: "Heute koennen wir zum ersten Mal alles systematisch zusammentragen, was an Zeugnissen *** die Ismailis existiert - in Arabisch, Persisch oder anderen Sprachen. So wird die Geschichte der Ismailis anhand authentischer Quellen erzaehlt. Bestimmt koennen wir so das verzerrte Image der Vergangenheit verbessern."
Fortschrittsgedanken
Mitten in London steht eines der Zentren der ismailischen Gemeinden in Europa. Symbol fuer den Fortschrittsgedanken der Gemeinschaft. Treffpunkt der Glaeubigen, um ihrer Vergangenheit und ihrer Zukunft zu begegnen. *** allem wacht das Oberhaupt, der Aga Khan, der 49. Imam. 15 Millionen Ismailis weltweit stehen unter der Obhut des direkten Nachfahren Mohammeds. Verteilt auf fast alle Kontinente. Im Oktober 1957 trat der 20jaehrige Prinz in Amt und Wuerden. Die Interessen seiner Schutzbefohlenen wahrt der Harvard Absolvent in islamischer Geschichte seither mit grossem Erfolg, sei es in Wirtschaft, Religion, Kunst oder Wissenschaft.
Ob mit prominenten Persoenlichkeiten wie Nelson Mandela oder im Arbeitsgespraech mit unbekannten Architekten, Seine Hoheit setzt sich fuer zahlreiche Projekte ein, rund um den Globus. Die Verleihung von ihm gestifteter Preise gehoert *** zum Alltag des umtriebigen Weltbuergers wie die Eroeffnung einer Schule im fernen Kirgistan. Er finanzierte den Bau und garantiert die Unterhaltskosten. Auch Studenten kommen in den Genuss von Foerdermitteln. Denn Ausbildung, Kultur und Entwicklungshilfe stehen ganz oben auf dem Programm des Aga Khan Network Development.
Duesteres Bild
Masyaf, die alte Hochburg der Assassinen - Erbe und Buerde zugleich. Der Ort steht fuer ein wichtiges Kapitel ismailischer Geschichte. Fuer eine Zeit, als die Glaeubigen in einem eigenen Staat vereint waren. Seit seinem Untergang haben sie keine Heimat mehr. Zugleich hat der mittelalterliche Geheimbund ein duesteres Bild hinterlassen, das bis heute nachwirkt.
Prof. Dr. Azim Nanji *** Vergleiche mit aktuellen Ereignissen: "Seit wir taeglich Bilder von gewalttaetigen Islamisten zu sehen bekommen, suchen Journalisten und einige zweifelhafte Wissenschaftler nach historisches Parallelen. Es werden Verbindungen zwischen dem Verhalten dieser Extremisten und den Ismailis in der Vergangenheit hergestellt. Man koennte sagen, dass so der Mythos vom Orden der Assassinen und ihrer Organisation wieder lebendig wurde."
Der Meuchelmord ist keine Erfindung der Assassinen. Doch niemand hat ihn als spezielle Art der Kriegsfuehrung so systematisch und langfristig eingesetzt wie Hasan-e Sabbah und seine Nachfolger. Die Gesamtzahl der Opfer, die auf das Konto des Geheimbundes gehen, ist verschwindend gering im Vergleich zu den Massen, die sonst in einer einzigen Schlacht starben. Kriege und Attentate scheuten auch andere Gruppen nicht - weder islamische noch christliche.
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"Religioese Gruppierung mit politischen Ambitionen" - Historiker Dr. Daftary *** die Gemeinschaft von Alamut
Im Interview aeussert sich der Historiker Dr. Farhad Daftary *** die von Hasan-e Sabbah gegruendete Gemeinschaft.
ZDFonline: Dr. Daftary, wie definieren Sie die Gemeinschaft von Alamut? Als Sekte, als Orden oder als politische Reformbewegung?
Dr. Farhad Daftary: Hasan-e Sabbah gruendete die Gemeinschaft von Alamut im Jahr 1090. Es war eine religioese Gruppierung der Schiiten - mit politischen Ambitionen. Seit Mitte des 9. Jahrhunderts, wenn nicht schon frueher, lebten Ismailis im Iran. Unter Hasan-e Sabbah erhielt die Gemeinde eine neue Ausrichtung. Hasan selbst war ein da'i, ein geistlicher Fuehrer oder Missionar, doch er betrieb mehr oder weniger seine eigene, unabhaengige Politik. Er plante, eine flaechendeckende Revolte gegen die Seldschuken, anzuzetteln. Die tuerkischen Fremdherrscher wollten das Fatimiden-Kalifat stuerzen, das in jener Epoche die Imame der Ismailis stellte. Ein Umstand, den Hasan nicht dulden konnte. Zudem hassten die meisten Perser aus allen sozialen Schichten ihre Besatzer von Herzen. Das erklaert die fruehe Popularitaet und den grossen Erfolg von Hasans Bewegung.
Die *** von Alamut im Jahr 1090 markiert den Beginn des ismailischen Staates in Persien. Hasan forderte von Anbeginn, dass der von den Ismailis anerkannte Imam gemaess ihrer Doktrin die Botschaft des Koran auslegt und als einziges religioeses Oberhaupt anerkannt wird. Das schwaechte natuerlich die Position des abbasidischen Kalifen in Baghdad, der sich selbst als einziger geistlicher Fuehrer und Sprecher aller Muslime betrachtete. Das war einer der Gruende fuer die Feindseligkeit des sunnitischen Establishments *** den Ismailis und ihrer Lehre.
Wirtschaftlich bluehende Gemeinschaft
ZDFonline: Wie war die Gemeinschaft um Hasan-e Sabbah organisiert?
Daftary: Hasans Staat konzentrierte sich auf wenige Gebiete in Persien. Die Ismailis besassen eine stattliche Anzahl von Bergfestungen und kontrollierten einige Staedte. Wir muessen aber auch bedenken, dass es eine wirtschaftlich bluehende Gemeinschaft war. Die Ismailis betrieben sehr aktiv Landwirtschaft und Handel. Die Umgebung ihrer Trutzburgen, speziell das Tal von Alamut, ist noch heute sehr fruchtbar. Wir wissen, dass sich Hasan schon frueh intensiv um den Ausbau des Bewaesserungssystems gekuemmert hat und viele Baeume pflanzen liess.
Alles war sehr effizient organisiert. Jede Region unterstand einem lokalen Chef, das Oberkommando jedoch fuehrte Hasan. Der ismailische Staat hat sogar eigene Muenzen gepraegt und offizielle Chroniken schreiben lassen. In Alamut und anderen Hauptfestungen wurden umfangreiche Bibliotheken eingerichtet und wissenschaftliche Instrumente gesammelt. Auf *** von Alamut selbst lebten schaetzungsweise 200 bis 300 Maenner, der Rest der Gemeinschaft wohnte in den umliegenden Doerfern. In Zeiten der Gefahr fanden die Verfolgten aber Zuflucht auf dem steilen Felsen von Alamut.
ZDFonline: Woher weiss die Nachwelt das alles, zumal Alamut ja in Schutt und Asche unterging und fast nichts erhalten blieb?
Daftary: Die Ismailis machten ihre Lehre auch Aussenstehenden zugaenglich, das heisst: anderen schiitischen Gruppen, aber auch Sunniten oder gar juedischen Wissenschaftlern. Einige von ihnen verbrachten sogar laengere Zeit in der Gemeinschaft und benutzten die Bibliotheken der Ismailis - entweder in Alamut selbst oder hauptsaechlich in Khorasan im oestlichen Iran. So zum Beispiel lebte Tusi, *** muslimische Gelehrte seiner Zeit, dreissig Jahre unter Ismailis, davon auch laengere Zeit in Alamut. Es wurde seine produktivste Periode. Damals schrieb er zahlreiche Werke *** Theologie, Philosophie, Mathematik und Astronomie. Tusi hinterliess eine Autobiographie, in der er bekennt, dass er freiwillig konvertierte, weil ihn die ismailische Lehre *** die Massen fasziniert habe.
ZDFonline: Wir wissen zwar nicht viel *** Hasan-e Sabbah, doch wie wuerden Sie ihn charakterisieren?
Daftary: Es blieben nur wenige Teile seiner Autobiographie erhalten, die spaeter durch andere Quellen ergaenzt und kommentiert wurden. Das Original ging leider verloren. Aufgrund der sehr begrenzten Informationen, die wir haben, scheint es, dass er ein sehr ernsthafter und asketischer Mann war. Er widmete sein ganzes Leben der Mission und dem Ziel, die ismailische Lehre zu verbreiten und die Gemeinschaft zu schuetzen. Die Quellen sagen, dass er *** der dreissig Jahre seiner Herrschaft in Alamut seine Klause nur zweimal verlassen habe. Vermutlich ist er auf das Dach des Gebaeudes gestiegen, um die Gestirne zu beobachten. Den Rest der Zeit verbrachte er damit, die Angelegenheiten seines kleinen Staates zu regeln und Missionsbotschaften zu verfassen.
Flucht in den Untergrund
ZDFonline: Was passierte nach der Zerstoerung Alamut durch die Mongolen im Jahr 1256?
Daftary: Die Mongolen setzten dem ismailischen Staat in Persien ein Ende. Sie brachten zahllose Ismailis um, doch die Gemeinschaft wurde nicht total ausgeloescht, wie sunnitische Berichte behaupten. Wie in schweren Zeiten ihrer langen Geschichte ueblich, fluechteten sich die Glaeubigen in den Untergrund. Viele, die den mongolischen Schwertern entkommen waren, siedelten sich in Afghanistan, Indien oder anderswo in Zentralasien an. Sie schluepften offiziell in die Rolle von Sunniten oder Sufis, um in einer feindlichen Umwelt zu ***.
*** die Gemeinschaft in den 200 Jahren nach der Eroberung Alamuts wissen wir nur sehr wenig. Ab Mitte des 15. Jahrhunderts richteten die ismailischen Imame, die bis dahin im Verborgenen gewirkt hatten, ihr Hauptquartier wieder im Iran ein - in einem kleinen Dorf in der Mitte des Landes. Es war der Beginn einer Renaissance sowohl der Missionierung als auch der umfangreichen literarischen Aktivitaeten der Gemeinschaft. Doch erst seit 1930 werden Originalhandschriften der Ismailis in Afghanistan, Iran, Yemen oder Zentralasien systematisch gesammelt und wissenschaftlich bearbeitet. So kann allmaehlich ein neues Image der Ismailis die Legenden und Missverstaendnisse des Mittelalters ausraeumen.
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"Eine weltweite Gemeinschaft" - Islam-Wissenschaftler Prof. Nanji *** die Geschichte und Tradition der Ismailis
Prof. Dr. Azim Nanji, Direktor des Instituts fuer Ismailische Studien in London, spricht im Interview *** die schwierige Aufgabe, das falsche Image einer religioesen Minderheit zu korrigieren.
ZDFonline: Herr Professor Nanji, welchen Forschungsauftrag hat Ihr Institut und was bedeutet es, ismailische Geschichte zu rekonstruieren?
Dr. Azim Nanji: Unser Institut feiert in diesem Jahr seinen 25. Geburtstag. Wir sind also eine sehr junge Forschungseinrichtung. Wir wollen die Geschichte und Tradition der Ismailis anhand von Originalquellen rekonstruieren. Das ist die wichtigste Aufgabe, die wir uns gestellt haben. Denn bisher wurde unsere Geschichte stets anhand von Quellen erzaehlt, die nicht ismailisch sind - das heisst: Quellen, die *** fast immer feindlich *** stehen.
Umfangreiche Bibliothek zerstoert
ZDFonline: Offensichtlich gingen *** verschiedener Kriege und Pogrome viele Buecher und Schriften verloren. Was bedeutet das?
Nanji: Gegen Ende des Fatimiden-Kalifats zum Beispiel zerstoerten die Eroberer systematisch die umfangreiche Bibliothek der Ismailis in Kairo - in der heute beruehmten Al Ahzar Universitaet. Aus den Ledereinbaenden der Buecher machten sich die Soldaten Schuhe, den Innenteil warfen sie weg. Es heisst, dass das Wasser im Nil viele Tage lang vor lauter Papier *** nicht mehr zu sehen war.
Der zweite schwere Verlust kam mit dem Ende des ismailischen Staates in Alamut. Die Mongolen zerstoerten die Burg und brannten auch dort die Bibliothek nieder. So ging *** die Jahrhunderte der Grossteil des ismailischen Erbes verloren. Unsere Aufgabe ist es, selbst die kleinste Hinterlassenschaft aufzuspueren - sei es ein Buch, eine Muenze oder sogar muendliche ueberlieferung. Wir wollen diese spaerlichen Originalquellen bewahren und daraus die Geschichte der Ismailis rekonstruieren. Das heisst nicht, dass es die einzigen Quellen sind. Aber wir haben ***nur sehr reduziertes Material zur Verfuegung, um unsere Vergangenheit zu erforschen.
Zentrale Rolle des Imam
ZDFonline: Was unterscheidet die Ismailis von anderen Muslimen?
Nanji: Wie alle andere Muslime, so glauben auch die Ismailis an die Saeulen des Islam: an den einen Gott und an die Botschaft des Propheten, wie sie im Koran offenbart ist. Im Lauf der Zeit haben sich aber viele verschiedene Gruppen herausgebildet. Wir gehoeren zur schiitischen Ausrichtung.
Wir glauben, dass dem Imam die Aufgabe zufaellt, die Gemeinde zu fuehren und die Botschaft des Koran - nach den Beduerfnissen der Zeit - auszulegen. Nach Vorstellung der Ismailis ist der Imam ein direkter Nachkomme des Propheten. Deshalb ist die Rolle des Imam einer der zentralen Punkte in der ismailischen Lehre. Er bestimmt, wie die Religion - in verschiedenen Epochen der Geschichte - *** wird. Er gibt der Gemeinde Anweisungen, wie sie im jeweiligen Umfeld leben soll. Wie die anderen Schiiten, so glauben auch die Ismailis, dass der Imam von Gott geleitet wird. Aber er selbst ist nicht goettlich, denn kein Mensch besitzt goettliche Eigenschaften.
ZDFonline: Wie sehen sich die Ismailis heute?
Nanji: Die Welt hat sich dramatisch veraendert. Die Ismailis sind eine weltweite Gemeinschaft. Sie leben heute in verschiedenen Kontinenten als Buerger vieler Staaten. Unsere Gemeinde ist sehr aktiv. Sie versucht, die Lebensqualitaet fuer die Glaeubigen zu verbessern, aber auch fuer jene Menschen, die mit ihnen zusammenleben. Wir glauben, dass der Islam auch eine starke ethische Dimension hat. Das erfordert, sich der Idee von sozialer Gerechtigkeit zu verschreiben. Um nach diesem Grundsatz zu handeln, muss jeder auch sein eigenes soziales Gewissen einbringen. Eine der groessten Herausforderungen in unserer Zeit ist es, dass wir versuchen, andere Kulturen und Traditionen zu verstehen - besonders jene, die in der Vergangenheit von Mythen umrankt waren. Wir alle muessen uns um gegenseitiges Verstaendnis und Respekt bemuehen. Es ist wichtig zu begreifen, dass Legenden dazu benutzt wurden, um Fakten zu verschleiern. Ich glaube, je mehr wir selbst in die mythische Falle tappen, desto mehr beschreiten wir das Feld der Unwissenheit. Das macht das Zusammenleben in gegenseitigem Verstaendnis und Respekt in der globalisierten und multikulturellen Welt von heute sehr schwierig.
Mohammeds Botschaft des Friedens
ZDFonline: Was denken die Ismailis, wenn sie immer wieder mit den Assassinen und mit Gewalt in Zusammenhang gebracht werden?
Nanji: Leider passiert das tatsaechlich immer wieder. Aber ich glaube, die Geschichte zeigt, dass sich die Ismailis in der Vergangenheit gegen eine feindliche *** verteidigen mussten. Gewalt als Mittel der Existenzsicherung ist vor allem mit der Epoche von Alamut verbunden. Doch nie griffen die Isamailis einen Zivilisten an. Sie haben lediglich versucht, der Gemeinschaft ein *** zu ermoeglichen. Schon sehr fruehe westliche Quellen beschreiben die Anfaenge des Islam und die Religion im allgemeinen als gewalttaetig. Denn fuer christliche Autoren war es kaum vorstellbar, dass der Prophet seine Botschaft anders als durch Gewalt haette verbreiten koennen. Auch eine von vielen Legenden, die schwer auszurotten ist. Bezeichnend ist auch der Begriff des Maertyrertums in Verbindung mit dem Paradies. Doch diese Vorstellung gibt es in jeder Religion. Eigentlich hat Mohammed durch die Begnadigung seiner Gegner in Mekka allen Muslimen und in der Tat auch den Ismailis eine Botschaft des Friedens hinterlassen, die jeden Versuch, Glauben durch Gewalt zu verbreiten, zunichte machen sollte.
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Literatur und Links, Buchtipps und weitere Informationen aus dem World Wide Web:
Terra X. Vom Geheimbund der Assassinen zum Brennpunkt Qumran
von Helga Lippert
Gebundene Ausgabe - 304 Seiten -
Heyne Oktober 2003
25 Euro
Derzeit nur antiquarisch erhaeltlich
Sieben Wochen lang geht die beliebte ZDF-Abenteuerserie "Terra X" zur besten Sendezeit am Sonntagabend wieder grossen Raetseln der Weltgeschichte nach. Die spannenden Reportagen weihen ein in das Geheimnis des Orakels von Delphi und der Schriftrollen von Qumran am Toten Meer. Sie fuehren nach Persien und Syrien, von Jerusalem aus durch ganz Europa, zur Osterinsel und nach Kreta ins legendaere Labyrinth des Minotaurus sowie in die heutige Tuerkei, wo neuesten Forschungen zufolge der Ursprungsort aller Zivilisation liegt. Das Buch vertieft die Reportagen der Sendung und bietet weitere Literaturtipps und tolle Bilder.
Die Assassinen
von Bernard Lewis
Gebundene Ausgabe - 259 Seiten -
Eichborn 2001
24,90 Euro
Die Assassinen: Speerspitze der islamischen Ismailitensekte, die sich im 8. Jahrhundert von den Schiiten trennte und ihnen seitdem den Rang als *** fundamentalistische Erneuerungsbewegung streitig machte. Die Ismailiten wollten den auf Gerechtigkeit, Froemmigkeit und totaler Hingabe des einzelnen gegruendeten Gottesstaat - und sie wollten ihn sofort. Sunnitische wie schiitische Machteliten, die ihre Privilegien behalten wollten, waren ihnen dabei im Wege. Gegen sie richtete sich seit Ende des 11. Jahrhunderts der Terror der Assassinen.
Von Venedig nach China
von Marco Polo
Broschiert - 338 Seiten -
Heyne 2001
14,90 Euro
Derzeit nur antiquarisch erhaeltlich
Dieser bedeutende Reisebericht des Mittelalters ist die Summe eines unvergleichlichen abenteuerreichen Lebens. Marco Polo war 1271 als Siebzehnjaehriger nach China aufgebrochen und gelangte nach dreieinhalbjaehriger Reise quer durch Asien an den Hof des Mongolenkaisers Kublai-Khan in der Naehe des heutigen Peking. Zwanzig Jahre lebte er dort in der Gunst des Grosskhans und unternahm ausgedehnte Reisen durch das chinesische Reich.
Den Islam verstehen
von Frithjof Schuon
Gebundene Ausgabe - 223 Seiten -
O. W. Barth Bei Scherz 2002
17,90 Euro
Derzeit nur antiquarisch erhaeltlich
Dieses Buch des grossen Religionsphilosophen Frithjof Schuon gilt weltweit als eine *** Einfuehrungen in die wahre Lehre des Islam.
Vom Rausch im Orient und Okzident
von Rudolf Gelpke
Gebundene Ausgabe - 271 Seiten -
Klett-Cotta 1995
25 Euro
Der Autor vergleicht den traditionellen Umgang mit Rauschmitteln in westlichen und arabischen Laendern. *** er dem Westen weitgehende Ignoranz bescheinigt, verbunden mit einer generellen Kritik an der allumfassenden Technisierung und Funktionalisierung der Gesellschaft, sieht er im Orient eine Tradition am Werk, die den - mit oder ohne Hilfe von Drogen erzeugten - Rausch als Hilfsmittel zum Erreichen mystischer Erlebnisse betrachtet.
Alamut
von Wladimir Bartol
Broschiert - 670 Seiten -
*** 2002
7,90 Euro
Derzeit nur antiquarisch erhaeltlich
Im Persien des 11. Jahrhunderts triumphieren die fanatischen Assassinen *** das riesige Reich der Tuerken. Erzaehlt wird von todesmutigen Maennern und zauberhaften Frauen und jenem grausamen Tyrannen, den die Geschichte als den "Alten vom Berge" kennt.
Weitere Informationen zu dieser Dokumentation: ,1872,2088844,00.html
- Konrad Jarnot, Rundfunkchor Berlin, Simon Halsey, Philip Mayers, Phillip Moll Ein deutsches Requiem, Op. 45 Denn wir haben hie keine bleibende Statt Arr. for Voices and 2 Pianos
Дата добавления: 2018-05-11
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Todesboten aus Alamut - Der Geheimbund der Assassinen - Eine ismailische Gemeinschaft
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